Gehörlosigkeit: Ursachen, Formen, Auswirkungen
Gehörsinn & Gehörverlust
Um ein Geräusch hören zu können, muß der Schall einen komplizierten Weg ins Gehirn zurücklegen, danach wird er im Hörzentrum des Großhirns in einen Laut umgewandelt. Der Schall wird dabei zuerst vom äußeren Ohr eingefangen und über das Trommelfell und die kleinen Gehörknöchelchen im Mittelohr, danach vom Innenohr über die Haarzellen (wo der Schall in Nervenimpulse umgewandelt wird) an das Großhirn weitergeleitet. Fallen ein oder mehrere Glieder dieser Kette aus, kann es zu Hörbeeinträchtigungen, Hörbehinderungen, Schwerhörigkeit oder im schlimmsten Fall zum Gehörverlust kommen.
Begriffsdefinitionen zur Gehörlosigkeit
Hörbeeinträchtigungen
Von einer Hörbeeinträchtigung betroffen sind jene Personen, die vorübergehend oder dauerhaft an einer Verringerung des Hörvermögens leiden. Hörbeeinträchtigte Personen können sich nach wie vor im Alltag zurechtfinden, ohne daß ihr eingeschränktes Hörvermögen auffällt. Es ist möglich, daß sich ein Hörverlust schleichend einstellt und die betroffene Person selbst lange Zeit nicht bemerkt, daß sich ihr Hörvermögen verringert. Dies ist z.B. oft bei älteren Menschen der Fall, die behaupten, daß der Nachrichtensprecher nuschelt oder daß die Radiobatterie schwach geworden ist u.ä. Wenn die Hörbeeinträchtigung sich fortschreitend verschlimmert, spricht man von einer progredienten Hörstörung.
Schwerhörigkeit
Die Personengruppe der Schwerhörigen unterscheidet sich von den von einer Hörbeeinträchtigung Betroffenen dadurch, daß sie sich ihrer Hörbeeinträchtigung bewußt ist und versucht, sie durch verschiedenartige Hilfsmittel auszugleichen. Der Grad der Schwerhörigkeit kann stark schwanken, die verfügbaren Hilfsmittel reichen vom Lippenlesen über diverse Hörgeräte bis hin zum Cochlear-Implantat.
Gehörlosigkeit
Gehörlose sind Menschen, die entweder von Geburt an keinen Gehörsinn besessen haben ("Taubgeborene") oder ihn im Laufe ihres Lebens vollständig verloren haben ("Spätertaubte"). Ist der Gehörverlust erblich oder durch Störungen im Schwangerschaftsverlauf - etwa durch Krankheiten oder Medikamente - bedingt, spricht man von pränatalen Ursachen der Gehörlosigkeit. Liegt der Auslöser des Gehörverlustes im Zeitraum rund um die Geburt, spricht man von perinatalen Ursachen der Gehörlosigkeit. Beide zusammen sowie eventuell zwischen Geburt und Erwerb des Sprechvermögens auftretende Gehörverluste heißen prälinguale Ursachen der Gehörlosigkeit. Kommt es erst nach dem Erwerb der Sprache zum Gehörverlust bzw. zur Gehörlosigkeit, so handelt es sich um postlinguale Ursachen der Gehörlosigkeit. Dazu gehören unter anderem Impfschäden, Infektionen wie Tuberkulose, Scharlach, Masern, Mumps oder Keuchhusten, Stoffwechselerkrankungen, Infektionen wie Mittelohrentzündungen oder Meningitis, Schädelverletzungen sowie Geräuschschäden z.B. durch laute Musik, Schießereien etc.
Konduktive Hörverluste
Neben den oben erwähnten permanenten Hörstörungen, die meistens irreparabel sind, gibt es auch temporäre Hörverluste, u.a. aufgrund von Flüssigkeit im Ohr, Mittelohrentzündungen, Gehöratresie (Verschluß des Gehörganges), Gehörgangsstenose (Verengung des Gehörganges) oder Zerumbildung. Kommt es im Kindesalter zu solchen Gehörverlusten und dauern sie längere Zeit an, kann es zu einer leichten Störung in der kindlichen Sprachentwicklung kommen.
Die Rolle des Gehörs
a) Das Gehör trägt zur Sprachentwicklung bei
Auf die Frage, was Sprache ist, wird ein Linguist antworten, daß es sich bei Sprache um etwas Natürliches und spontan Reproduzierbares handelt. Demnach wiederholt ein Kind beim Spracherwerb automatisch Laute, die es hört. Eine bloße Mundbewegung ohne Ton ist für ein hörbeeinträchtigtes Kind nicht spontan reproduzierbar, sondern nur durch mühevolles Training mit Logopäden erlernbar.
b) Das Gehör liefert uns Information
Täglich sind wir einer Fülle von auditiven Reizen ausgesetzt und nehmen eine Vielzahl von akustischen Informationen auf. Für einen Gehörlosen oder eine Person, die von Hörbeeinträchtigungen oder Schwerhörigkeit betroffen ist, bedeutet es einen weit größeren Kraftaufwand, ständig auf dem Laufenden zu sein und täglich dazuzulernen.
c) Das Gehör vermittelt Warnsignale
Viele Warnsignale (etwa die Hupe eines Autos oder das Pfeifen eines herannahenden Zuges) werden akustisch übermittelt. Gehörlose können diese akustischen Signale nicht hören, ebensowenig das Herannahen von Schritten außerhalb ihres Gesichtsfeldes, und müssen daher viel vorsichtiger leben als Hörende. Manchmal führt das Wissen um die Einschränkung der Sicherheit durch eine Hörbehinderung zu einem Leben mit der permanenten Angst, von hinten unvermutet überfallen oder bedroht zu werden.
d) Das Gehör spielt eine Rolle im sozialen Leben
Bei vielen sozialen und kulturellen Veranstaltungen werden wichtige Informationen nur akustisch übermittelt. Denken Sie nur einmal darüber nach, was es bedeutet, Konzert-, Theater- oder Filmvorführungen ohne Ton zu erleben!
Tips für den Umgang mit hörbeeinträchtigten Personen
Wenn eine Person mit normalem Hörvermögen mit hörbeeinträchtigten Menschen kommuniziert, kann er einige wichtige Dinge beachten, um für sein Gegenüber leichter verständlich zu sein. Einige Dinge, die man in diesem Zusammenhang beachten sollte, sind:
Generelle Verhaltensregeln im Umgang mit Hörbeeinträchtigten
- Den Gesprächspartner immer anschauen
- Nie schreien
- Deutlich und in kurzen Sätzen sprechen
- Eine eventuell auftretende Gesprächsstörung (läutendes Telefon, Lautsprecherdurchsage,...) anzeigen
Besondere Verhaltensregeln im Umgang mit Schwerhörigen
- Überprüfen, ob das Hörgerät in Ordnung ist (setzt Vertrauen zwischen den Gesprächspartnern voraus!!!)
- Nachfragen, ob Geräusche gleich gehört wurden ("Ich glaube, Ihr Telefon läutet")
- Langsam sprechen
- Im Notfall Inhalte aufschreiben
Zusätzliche Hilfsmittel im Umgang mit Gehörlosen
- Angreifen
- Winken
- Licht auf- und abdrehen beim Betreten eines Raumes
- Am Boden stampfen
- Das Thema des Gesprächs im Vorfeld aussprechen ("Habe Frage zu Deiner Kleidung")
- Die eigene Stimme beim Reden weglassen
Weitere Informationen zur Gehörlosigkeit
Unsere Literaturempfehlung zum Thema Gehörlosigkeit: "Unerhört" - eine Entdeckungsreise durch die Welt der Gehörlosigkeit und Gebärdensprache von Valerie Clarke.
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